Im Bild ist das Mittelschiff mit dem Blick auf den Lettener der Elisabethkirche in Marburg zu sehen.

Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen

Elisabethkirche in Marburg erhält ihre ursprüngliche Farbigkeit zurück

Die letzte Restaurierung des Innenraumes der Elisabethkirche in Marburg liegt über 80 Jahre zurück – nun soll die ursprüngliche Farbigkeit des Kirchenraumes aus dem 13. Jahrhundert wiederhergestellt werden. Die Planung der Restaurierungsmaßnahme obliegt dem Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen.

Lesedauer:11 Minuten

Der Innenraum der Elisabethkirche in Marburg wird restauriert. Zwei internationale Expertenkommissionen und alle am Planungsgeschehen Beteiligten haben sich nach intensiven Diskussionen dafür entschieden, die ursprüngliche Farbigkeit des Kirchenraumes aus dem 13. Jahrhundert wiederherzustellen. Diese Fassung wird die Kirche wesentlich heller erscheinen lassen als bislang. Die Experten begründen ihre Entscheidung damit, dass man sich an den selten gut erhaltenen, großflächigen Befunden aus der Entstehungszeit der Kirche orientieren könne. Bei keiner anderen Fassung aus nachfolgenden Jahrhunderten sei dies möglich gewesen. Auch Teile der Ausstattung werden restauriert. Geplant ist auch ein neues Lichtkonzept. Die Restaurierung wird etwa 3 Jahre dauern. Während dieser Zeit kann die Gemeinde jeweils einen Teil des Kirchenraumes weiter nutzen.

Da das Land Hessen zur baulichen Unterhaltung der Elisabethkirche verpflichtet ist, obliegt die Planung der Maßnahme dem Landesbetrieb Bau und Immobilien in Hessen (LBIH); die fachliche Verantwortung tragen das Landesamt für Denkmalpflege Hessen und die Bauberatung der Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW). Als Gebäudeeigentümer ist der Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden in Marburg, dessen Mitglied die Elisabethkirchengemeinde ist, an allen Entscheidungen beteiligt. Finanziert wird die Sanierung durch das Land Hessen, vertreten durch das Hessische Kultusministerium.

Rosa Grundton mit weißem Fugennetz an den Wand- und Gewölbeflächen

„Die Raumwirkung der Elisabethkirche in Marburg wird nach der unmittelbar bevorstehenden Restaurierung des Kircheninnenraumes eine andere sein“, sagt Prof. Dr. Markus Harzenetter, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen. „Wir haben uns für die Rekonstruktion der bauzeitlichen Raumfassung entschieden, deren rosa Grundton mit weißem Fugennetz an den Wand- und Gewölbeflächen sowie an den Pfeilern die Kirche sehr viel heller erscheinen lassen wird. Wie in der ursprünglichen Fassung aus der Erbauungszeit der Kirche ab 1235 bis 1283 werden die den Raum gliedernden Elemente in Weiß und Ocker abgesetzt werden, so dass wir uns wieder einen Eindruck davon machen können, wie die Menschen des 13. Jahrhunderts die gerade fertiggestellte Elisabethkirche wahrgenommen haben.“

Harzenetter sagt, die Entscheidung für diese Fassung sei das Ergebnis jahrelanger fachlicher Diskussionen und Abwägungsprozesse zwischen allen am Planungsgeschehen Beteiligten. Auch zwei internationale Expertenkommissionen seien mit einbezogen worden. Bis zur Anlage der endgültigen Musterflächen im Chor der Kirche sei es ein langer Weg gewesen. Mehrfach habe man die Ergebnisse überarbeitet, diskutiert und erneut angepasst. „Ich freue mich über diese einvernehmliche Entscheidung, denn eine derartig hochrangige Maßnahme kann nur dann gelingen, wenn Grundentscheidungen von allen Beteiligten mitgetragen werden.“ Das einheitliche Votum für die bauzeitliche Raumfassung sei durch die noch erhaltenen gotischen Ausstattungsstücke erleichtert worden. „Auf diese Weise wird auch das Zusammenwirken von Raum und Ausstattung wieder möglich sein – dies ist ein ganz besonderer Glücksfall,“ freut sich Harzenetter mit dem Verweis auf die besondere Bedeutung der Elisabethkirche für die Gründung und Geschichte des Landes.

„Bei der aktuellen Raumfassung handelt es sich um stark verschmutze, sehr dünnschichtige Lasuren der 1930er Jahre. Damals hat man frühere Fassungen abgenommen, um einen steinsichtigen Zustand herzustellen. Mit den ergänzenden Lasuren wurde der Versuch unternommen, Unregelmäßigkeiten in der Steinsichtigkeit zugunsten eines harmonischeren Erscheinungsbildes zu egalisieren," erklärt Dr. Bernhard Buchstab, Bezirkskonservator der Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege im Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Ein weiteres Kriterium für die Wiederherstellung der ersten Raumfassung sei auch die Tatsache gewesen, dass man sich an noch erhaltenen, großflächigen Befunden im gesamten Kirchenraum orientieren könne. Eine zweite leicht grau-blau abgetönten weiße Raumfassung aus dem 16. Jahrhundert mit weiteren farblichen Gestaltungen sei leider nur noch in wenigen Resten nachweisbar. Die dritte, ab 1855 ausgeführte in gebrochenem Weiß ausgeführte Fassung sei durch Schwarz-Weißaufnahmen zwar gut dokumentiert, doch ließen sich die Farbwerte leider nicht mehr in ausreichendem Umfang ermitteln.

Drei Jahre für Sanierung geplant

Nach den Planungen des Landesbetriebes Bau- und Immobilien Hessen wird die Sanierung der Raumschale ca. drei Jahre dauern und in drei Bauabschnitten erfolgen. „In dieser Zeit kann die Gemeinde den Kirchenraum weiter nutzen“, sagen Inka Klee und Karl-Heinz Waschkowitz, Projektleiter beim Landesbetrieb Bau- und Immobilie Hessen (LBIH). Zuerst würden die Chöre, anschließend das Langhaus gereinigt und nach historischem Befund neu gefasst. Rund 21.000 m³ Gerüst müssten im Innenraum gestellt werden. Zuvor jedoch würden die wertvolle Ausstattung der Kirche sowie die mittelalterlichen Glasfenster aufwändig geschützt und für die Dauer der Arbeiten klimatisch überwacht.

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Beate Hofmann, sieht der Sanierung erwartungsvoll entgegen: „Ich freue mich, dass die Elisabethkirche nun nach langer Vorbereitung saniert werden kann und bin sehr neugierig auf das neue, „ursprüngliche“ Erscheinungsbild dieser Kirche, die für unsere Landeskirche eine so herausgehobene Bedeutung hat. Die Elisabethkirche ist ein Ort, der für christlichen Glauben in Verbindung mit diakonischem Engagement steht und Menschen seit Jahrhunderten ein spirituelles Zuhause bietet. Das möge auch in Zukunft so bleiben. Ich danke allen, die sich seit Jahren für die Sanierung engagieren, danke auch für die gute Zusammenarbeit von Kirche, Land und Denkmalpflege und wünsche dem Vorhaben gutes Gelingen und Gottes Segen.“

Burkhard zur Nieden, Dekan des Kirchenkreises Marburg, macht deutlich, warum die Kirche ein einzigartiger Erinnerungsort von nationaler Bedeutung ist. „Die Elisabethkirche bildet ein außerordentliches kulturelles Erbe und ist Mittelpunkt einer sehr lebendigen, großen Kirchengemeinde. Ihre reiche Geschichte gründet im 13. Jahrhundert und in der berührenden, überzeugenden Gestalt Elisabeths von Thüringen, die sich als Kind ihrer Zeit im Kontakt mit den Armutsbewegungen und in der Nachfolge Jesu den Armen und Kranken zugewandt hat. In den Jahrhunderten danach war dieses Gebäude in besonderer Weise ein zentraler Ort hessischer Geschichte, politischer und religiöser Auseinandersetzungen, aber auch früher Formen religiöser Toleranz. Für die deutsche Identität ist sie im 19. und 20. Jahrhundert ein wichtiger, aber auch umstrittener Erinnerungsort. Heute ist sie von besonderer Ausstrahlungs- und Anziehungskraft für Menschen, die spirituelle Erfahrungen suchen, und für die, die aus touristischem Interesse kommen, sowie für jene, die das eine mit dem anderen verbinden können.“

Pfarrer Ralf Hartmann leitet den Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden in Marburg, dem das Land Hessen die Kirche im Jahr 1969 unter Beibehaltung seiner Baulastverpflichtung übereignet hat. „Dankbar und mit großem Respekt für die geleisteten Vorarbeiten warten wir gespannt auf den Beginn der Sanierung. Allein aus kirchlichen Mitteln könnten wir diese Aufgabe nicht bewältigen. Unser Dank gilt dem Land Hessen für die Finanzierungszusage, dem Landesbetrieb Bau und Immobilien in Hessen für die engagierte und professionelle Planung, sowie dem Landesamt für Denkmalpflege und unserer kirchlichen Bauberatung für die kompetente fachliche Begleitung. Ergänzend zu den Landesmitteln für die Sanierung des Gebäudes werden wir auch von kirchlicher Seite erhebliche Mittel investieren. Sie werden für flankierende Maßnahmen benötigt, die nicht durch die Baulastverpflichtung des Landes abgedeckt sind. Dazu gehören u. a. die Restaurierung der beweglichen Kunstschätze, Teile der umfangreichen Lichtplanung, Planungs- und Koordinierungsaufgaben, sowie die begleitende Öffentlichkeitsarbeit. Ausgesprochen dankbar bin ich für das gemeinsame Interesse aller Beteiligten, die Maßnahme durch digitale Informationen, Printmedien und Führungen vor Ort für die Öffentlichkeit transparent und nachvollziehbar zu machen.“

Anne Kuppe, Vorsitzende des Kirchenvorstandes der Elisabethkirchengemeinde, teilt die gespannte Erwartung vieler Gemeindeglieder: „Wir freuen uns als Gemeinde sehr, dass es nach über zehn Jahren mit der Innensanierung unserer Kirche losgeht. Wir sind sehr gespannt auf die Zeit. Die Innensanierung unserer Kirche ist ein großes Ereignis für unsere Gemeinde. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit allen, die daran mitarbeiten, dass unsere Kirche bald in „neuem Glanz“ zu erleben sein wird und wir sind uns sicher, dass sie so noch mehr Menschen aus nah und fern anziehen wird als sie das bisher schon tut.“

Zu der Frage, weshalb das Land Hessen in die Planung der Sanierung eingebunden ist und auch die Kosten trägt, äußert sich Dr. Georg Manten vom Hessischen Kultusministerium, das in Hessen für die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zuständig ist. Er verweist auf den Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Landeskirchen in Hessen aus dem Jahr 1960: „Die Elisabethkirche ist eine von zwei Kirchen, zu deren baulichen Unterhaltung das Land Hessen nach dem evangelischen Staatskirchenvertrag weiterhin verpflichtet ist, obwohl sie nicht im Eigentum des Landes steht, sondern der Evangelischen Kirche – genauer: dem Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden in Marburg – gehört. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass es sich um ein Baudenkmal allerhöchsten Ranges und um einen in Geschichte und Gegenwart bedeutsamen Ort des kirchlichen und kulturellen Lebens in Hessen handelt.“ Manten verweist darauf, dass die gleiche Regelung für die Marburger Universitätskirche sowie – aufgrund des Vertrages des Landes Hessen mit den Katholischen Bistümern in Hessen aus dem Jahr 1963 – für die Domkirchen zu Limburg und Fulda gelte. Alle übrigen ehemaligen Baulastverpflichtungen des Landes Hessen an kirchlichen Gebäuden, so Manten, seien aufgrund der Staatskirchenverträge abgelöst.

Die Elisabethkirche

Die Elisabethkirche in Marburg gehört zu den ersten und bedeutendsten gotischen Kirchenbauten in Deutschland und diente auch als Grablege der heiligen Elisabeth. Von ihrer mittelalterlichen Ausstattung sind zahlreiche und wesentliche Elemente erhalten, wie z. B. die gotischen Verglasungen im Chor, der steinerne Hochaltar, der Lettner, das Elisabethmausoleum und der Elisabethschrein sowie Altäre und Skulpturen.

Am 26. November 2021 findet eine öffentliche Auftaktveranstaltung statt. Zu Wort kommen Prof. Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche in Kurhessen und Waldeck (EKKW), Thomas Platte, Direktor des Landesbetriebs Bau- und Immobilien Hessen (LBIH), Dr. Georg Manten vom Hessischen Kultusministerium, Thomas Hartmann, Vorsitzender des Gesamtverbandes und Prof. Dr. Markus Harzenetter, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen.

Kontakt

Besucherinnen und Besucher können sich schon jetzt in der Kirche ein Bild von der ursprünglichen Farbigkeit machen und sich auch im Rahmen von Kirchenführungen über die geplante Maßnahme informieren.

Küsterstube der Elisabethkirche